"Wir brauchen ein neues Denken über Bildung", "Wir brauchen gar eine Bildungsoffensive", so tönt es aus Sonntagsreden und den Mündern selbsternannter Fachleute, jahrein, jahraus, landauf, landab. Aber haben wir nicht schon längst eine maßlose Offensive des Bildes in unserer gegenwärtigen Werbungs- und Medien(un)kultur? Brauchen wir nicht eher ein freies Denken, frei von vorgefertigten und vorgesetzten sowie gerahmten bzw. geframten Bildern? Was ist echt, was ist wirklich an einem Bild, einem zwei- oder gar dreidimensionalen Abstraktum der Wirklichkeit, es ist maximal ein Symbol für etwas aber mitnichten das Wirkliche, oder?
Bildung kommt von Bild, was aber wird seit jeher grundsätzlich über das Bild gesagt, was ist davon ausgehend eigentlich die Grundlage einer angeblich christlich geprägten Kultur?
Im ersten Ge- bzw. Verbot (gemäß dem hebr. Original eigentlich ‚vertrauensvolle Verheißung’) heißt es „...Du sollst (wirst, [sic!]) dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“
Obwohl das erste(!) „Gebot“ des Dekalogs (Zehnwortes*) von der Bildvorstellung des Göttlichen und der Darstellung des Erschaffenen in allen Dimensionen abrät bzw. darauf vertraut, dass das Geschöpf des Göttlichen dieser Versuchung nicht unterliegt, sind die Kirchenwände der frühen Tage voll biblischer Bilder gewesen und werden uns heute unendlich viele Bilder nahezu hypnotisierend bis narkotisierend medial in den Kopf gepresst.
Vernunft kommt von vernehmen, nicht im Sinne eines besitzergreifenden Nehmens sondern im Sinne eines mich über mein Selbst hinausführenden Wahrnehmens (von der idg. Wurzel), z.B. in dem ich die Stimme bzw. das Wort des Göttlichen in mir vernehme.
Es ist dieses Vernehmen, welches erst im unvoreingenommenen Lauschen, im Horchen in der Stille zur ErINNErung unserer Urquelle führt und uns dort in der Aufmerksamkeit der tiefsten Stille in uns zunächst ganz leis und zart die Stimme vernehmen lässt, die da spricht: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“
Wer also Bilder vorgesetzt bekommt oder dazu animiert wird, sich Bilder vom Geistigen zu machen, soll eben nicht das göttliche Wort, das Flüstern der Urquelle in sich selbst vernehmen, denn dann würde er ja gewahr, dass es keines Vermittlers zum Göttlichen bedarf, keiner von anderen vorgefertigten Bilder des Ursprungs allen SEINs.
Bild ist eben nicht „Wort“, ist nicht der Logos, die Urschwingung allen SEINs, das AUM des ALLs. Bild und Bildung sind das Surrogat für eine erzwungene Wort- oder Logos-Legasthenie, in den Tempeln und Kirchen der alten Zeiten wie vor den Bildschirmen und Displays der Gegenwart (à la „Apple ist my rellgion“, „Gates is heaven’s door“).
Im Vernehmen erINNErt sich der Mensch seines Ursprungs und seiner Potentialität, hier ergreift er wieder den Zipfel seiner Authentizität als schöpferische Wesenheit, unlösbar verbunden mit allen zeit- und raumlosen Wesen.
Authentisch ist ein Mensch nur, wenn er lernt was er lehrt, denn dadurch berücksichtigt er die Einzigartigkeit und die Wechselwirkung jeder neuen Lehr-/Lernsituation, die doch immer wieder im Kern an die einzig relevante Frage erINNErt: Sage ich „Ja!“ zu meinem vollkommenen SEIN? Zeige ich zumindest die Bereitwilligkeit, mich dieser Erkenntnis gegenüber zu öffnen? Bezeuge ich durch mein Sein, im Denken, Reden und Handeln, die Wirklichkeit meines Wesens als schöpferisches Geschöpf? Hierzu ein unwiderrufliches Ja-Ja zu sprechen, ist der tiefste Ausdruck wirklicher Authentizität.
So charakterisiert sich in den Begriffen von Bild vs. Vernunft und Authentizität auch das Verhältnis von Wahrnehmung vs. Wahrheit. Ein Bild nehme ich durch meine Sinne für wahr, weil ich ihm Glauben schenke, ich halte das sinnlich Erscheinende für wahr. Der Zweck allen Sehens ist es, mir das zu zeigen, was ich zu sehen wünsche.
Die Wahrheit, als wahren Zustand, vernehme ich in der Stille des ewigen Moments, und je deutlicher mir dieses Vernehmen gelingt, desto mehr ist Gewissheit spürbar, dies ist echt, authentisch, wahr. Das wussten und davon sprachen, im zunächst nur im Verborgenen und dann auch in der Öffentlichkeit alle Weisheitskulturen und alle Weisheitslehrer der Menschheit, seit jeher.
Bilder ziehen unsere Aufmerksamkeit nach außen, projizieren das in uns Verleugnete in eine äußere Bilderwelt, Vernunft führt unsere Aufmerksamkeit zu der Erkenntnis unseres Wesens, indem sie der reinen Stimme in uns folgt.
Dass Bilder nicht essentiell sein können beweist die Unmöglichkeit, uns ein Bild der ALLumfassenden, ALLdrurchdringenden, ALLgegenwärtigen, bedingungslosen Liebe, der agápē, zu machen. Dies ist ebenso bei den essentiellen Wirklichkeiten wie Frieden und Wahrheit der Fall, diese wesentlichen Qualitäten sind auch nicht im Bilde zu visualisieren.
Die Liebe braucht keine Symbole und Bilder, da sie wahr ist.
So ist es eben nicht Bildung, ob frühkindlich, schulisch, universitär oder populär, die uns die essentiellen Fragen des Seins beantwortet: Was ist der Mensch und wie wird der Mensch zum Menschen, im besten Sinne seines Ursprungs?
Es ist die ErINNErung, die BeSINNung (im Sinne von „sich etwas bewusst werden“), das Vernehmen der Urheberschaft des SEINs in uns – ErINNere dich deines SEINs in der Ewigkeit des SEINs. Wer mit diesem Wort in die Stille geht, wird zunehmend zur vollkommenen Authentizität voranschreiten.
Der unabdingbare Paradigmenwechsel des Lernens und Lehrens kennzeichnet sich durch den Wandel von Bildungseinrichtungen zu ErINNErungsfeldern. Die aktuellsten Erkenntnisse der Quantenphysik decken sich mit den ewigen Weisheitslehren, dass im Sinne eines morphogenetischen Feldes alles Wissen schon in uns ist. Dieses Bewusstsein kommt in dem bekannten und doch in seiner Tiefe und Tragweite kaum zu ermessenden „ICH BIN“ in verdichtester Form zum Ausdruck und verweist uns auf den Zenit unserer Authentizität. Mit diesem Fokus werden unsere Beziehungen heilen, der innere Frieden zunehmen und Grundlage des Friedens unter allen Menschen werden. In diesem Sinne ist gelebte Authentizität auch die Grundlage eines konstruktiven Generationenverhältnisses, in dem Lehren und Lernen wechselseitig und auf Augenhöhe stattfinden. Wir brauchen nur die Bereitwilligkeit und den Mut zu ErINNErung.
Fußnote
* = wobei hier die 10 nicht eine numerische Größe meint, sondern die 10 als die potenzierte 1, das potenzierte ALL-EINS, die sich ausdehnende unendliche und ewig währende Liebe, eine für den dualistisch geprägten Verstand nicht zu fassende Dialektik der Ganzheit (vergl. auch die „Heiligen Zahlenfolge“ 1+2+3+4=10, den Tetraktys – Lehre von der Heiligkeit der ersten vier Zahlen mit Summe 10). Die sogenannten „Zehn Gebote“, griech. Dekalog, sind ursprünglich ein Fließtext, der erst später numerisch unterteilt wurde und so die spirituell klingende 10 zu einer zählenden 10 degradierte.
Ebenso ist die Übersetzung von -log, abgeleitet von logos, mit Gebot eine unzulässige Einschränkung, ja sogar Verkehrung ins Gegenteil. Schon oberflächlich betrachtet handelt es sich ja, wenn überhaupt, nur um zwei Ge- (Du sollst...) und acht Verbote (Du sollst nicht...). Doch spricht die hebräische Originalversion eine andere Sprache im „Du wirst (nicht)...“, also eine vertrauensvolle Vorhersage des Wesens des göttlichen Geschöpfs. Eine liebevolle Zuwendung und kein sühnendes Gesetz.
Autor:
Vincent Dietz, Diplom-Pädagoe, Lehrkraft Sek. I und II, Schulleiter a.D., N.D.T./INPP, Kommunikationstrainer, ErINNErungs-Tutor, Projektmanager; Kontakt: vincent@mavidi.eu
Urheberechtliche Hinweise:
Bei der Verwendung des Zitats "ErINNEre dich deines SEINE in der Ewigkeit des SEINS." ist immer der Urheber wie folgt anzugeben "marc vincent dietz, mavidi, Lüneburg 2019"
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